COPENHAGEN COFFEE LAB, Hamburg, 22/8/23
Hamburg also wieder. Wie schön in eine Stadt zu kommen in der man sich schon auskennt.
Jedes Mal kommt man sich ein Stück näher, man lernt sich immer noch besser kennen. Anfang Juli am Weg in die Bretagne war ich kurz vor der französischen Grenze derart aufgeregt, wie kaum zuvor. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, je ein Land betreten zu haben wo ich so gar nicht wusste, wie es mir dort gehen wird. Obwohl ich diese Sprache 6 Jahre in der Schule gelernt habe, kam ein Gefühl von ausgeliefert sein in mir hoch, dass ich bei der ersten Cafebestellung kaum ein Wort rausgebracht habe.
Die darauffolgenden 4 Stunden Autofahrt habe ich darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, in ein Land auswandern zu müssen, mitsamt Familie, all den organisatorischen logistischen Schwierigkeiten, ohne die Sprache und Kultur zu kennen. Wieso habe ich bisher so wenig darüber nachgedacht. Klar kommt man ja immer wieder irgendwie mit Flüchtlingen in Kontakt und streift kurz einen Gedanken an, ach ja das ist ja wirklich nicht leicht, aber so richtig seine Heimat verlassen zu müssen?
Selbst bei der eigenen Muttersprache gehts mir ja schon oft so, dass man bei manchen Gesprächen das Gefühl hat, rein gar nix zu verstehen.
Ich versuche bei den stundenlangen Autofahrten, nach meinen Gedanken über das Auswandern nicht an meine Arbeit zu denken, das habe ich mir ganz fest vorgenommen – mal 3 Wochen kunstfrei zu sein. Was denn dann gar nicht so leicht ist. Die vorbei ziehende Landschaft, die wunderbare Lichtstimmung, in Bewegung sein – all das liebe ich und inspiriert total.
Die letzten Monate waren derart intensiv und dicht, da geht’s nur mehr noch um’s Durchtauchen! Die Debatte rund um die Aussage unseres Arbeitsministers wie man Teilzeitarbeitende animiert und motiviert die Stunden zu erhöhen, hat mich derart in Rage gebracht, ich dachte ich höre nicht richtig. Das Land braucht wieder mehr Menschen die ordentlich arbeiten wollen, nicht nur 1,2,3,4 Tage die Woche und den Rest Freizeit. Die heutigen jungen Leute wollen ja anscheinend nix mehr hackeln, rumhängen und chillen. Das Land, die Wirtschaft hat es dringend nötig! Ah echt jetzt, hat sie das?
Wie kann es sein, dass alle Menschen in meinem Umfeld, derart ausgepowert, erschöpft und überfordert sind, Menschen, die im besten arbeitsfähigen Alter so viel arbeiten, nahe am Burnout. Und nachdem ja in unserer bereits erreichten Gleichberechtigung alles geht, arbeiten in einer hetero Beziehung auch viele mit Kinder, um die 40h pro Woche. Der Haushalt läuft nebenbei, gekocht wird ausschließlich frisch und bio, der Körper ist straff wie mit 25, die Kinder sind super erzogen, top sozialisiert, alle spielen mindestens ein Musikinstrument, alle sind sozial und politisch aktiv.
Also da könnten doch auch locker diejenigen die nur 30h pro Woche arbeiten ein bissi aufstocken, das ist doch lächerlich, dass das nicht machbar ist. Und für diejenigen mit Kinder, na die Kinderbetreuung ist jetzt ja aber nun wirklich schon flächendeckend in Österreich vorhanden, was regt ihr Frauen euch denn schon wieder so auf, und jammert. Was würden denn da die Frauen in Afghanistan sagen!
HAMBURG ….. ein Gefühl von nach Hause kommen…..diese Vibes, ….. sind es die Menschen, die Gespräche, das gemeinsame Essen, das gegenseitige Interesse, das Vertrauen oder die Gebäude, die Fassaden, die Kräne, die Straßen, die Kanäle, die Container Schiffe, die Möwen, die Bewegung, dieses Miteinander – ich atme alles ein und sauge auf was ich kriegen kann.
Alleine die U-Bahn Stationen sind genial, diese Fliesen – die 2 neuen Stationen Überseequartier und Elbbrücke – bei der einen ein wunderbares Gefühl von Abtauchen, am Grund treibend – und bei der anderen eine fantastische Konstruktion von Glas und Stahl.
Ein neuer Stadtteil entsteht, es wird gebaut als hätte die Hälfte der Hamburger noch kein Zuhause.
2023 Yeahhhh!!! UND SONST SO?
Text 6, Februar 2023
Am Freitag bin ich zum Winterdinner nach Linz eingeladen. Simone Barlian, Künstlerin und Kuratorin im OÖ Kunstverein hat mich mit ihrem Künstler*innen Kollektiv ‚Die Raumarbeiterinnen‘ eingeladen mit den Worten: Ich bin inspiriert und beseelt von so vielen tollen Frauen in Kunst und Kultur. Das Zusammentreffen mit dir 2022 = definately eines der Highlights!! BAMMM….das sitzt und wie auch noch!
Es ist eigentlich ganz einfach, sich zu bestärken, zu motivieren, inspirieren, coachen, empowern, bewundern, loben und trotzdem überrascht es mich immer wieder, wenn ich dies von Frauen höre die ich eben SO COOL, MOTIVIEREND, FRESH, SUPERINTELLIGENT, EINFACH FANTASTISCH finde.
Also das reicht finde ich schon als Jahresmoto. BE FEMINIST, FRESH, SOLIDARIC, MORE RADICAL AND EMPOWER OTHERS.
Theresa Bücker schreibt in ihrem Buch ‚ALLE_ZEIT. Eine Frage von Macht und Freiheit.
‚Busy zu sein ist als Statussymbol so attraktiv! Wir bezahlen dafür mit unserer Zeit und Aufmerksamkeit.
Die eigene Zeit möglichst dicht mit Erwerbsarbeit und Freizeitaktivitäten zu füllen, gilt als neuer Skill, den man beherrschen muss. Denn in unserer Kultur wird das ständige Beschäftigtsein aufgewertet. Wir definieren uns und andere so stark über Erwerbsarbeit. Wir haben gelernt, dass Fürsorge keine richtige Arbeit ist, also ist die Zeit mit meinem Kind weniger wert als mein Job, der Kontoauszug, macht es sichtbar.
Die ungerechte Verteilung von freier Zeit kann man nur verändern, wenn man analysiert, welche Mehrfachdiskriminierungen – zum Beispiel strukturelle Diskriminierung aufgrund von Gender, Class, Race -dazu führen, dass manche Menschen so viel mehr unbezahlte Arbeit leisten und wie unterschiedlich der Wert von Arbeitszeit bemessen wird. Unsere Zeit wird nicht neutral bewertet.
Die Auffassung, dass die eigene Arbeit getan sei, wenn man den Arbeitsort verlässt, trägt noch heute zum Gender-Care-Gap bei. Männer in Deutschland, die in einer Partnerschaft mit einer Frau leben zeigen wenig Bereitschaft, die im gemeinsamen Haushalt anfallenden Arbeiten gleichberechtigt zu übernehmen. Die Care -Arbeitszeit von Frauen beträgt pro Tag 87 Minuten mehr als die von Männern. Sogar bei zwei in Vollzeit tätigen Eltern verbringt die Mutter 40 Prozent mehr Zeit mit Kinderbetreuung und Haushaltsaufgaben als ihr Partner. (Berlin: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V., Geschäftsstelle Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, 2017)
Strategien für Gleichberechtigung lediglich in Arbeitswelt und Politik zu entwickeln, reicht nicht aus. Wir müssen unsere politischen Bemühungen auf den als privat geltenden Bereich der familiären Fürsorge ausdehnen.
Denn wenn die ungerechte Arbeitsteilung und die dadurch bedingte erhebliche Differenz bei der frei verfügbaren Zeit dazu führt, dass Care- Verantwortliche – meist sind es Frauen – sich deutlich häufiger erschöpft und weniger gesund fühlen als Männer, können sie ihr Leben weniger frei gestalten als ihre Partner. Eine streikende Frau reißt im Durchschnitt ein Care-Loch von über vier Stunden in ihre Familie, die kompensiert werden müssten. Vier Stunden unbezahlte Arbeit pro Tag, die unsere Wirtschaft als Investition voraussetzt, ohne sie in der Wirtschaftsleistung auszuweisen und zu honorieren. Unser Wohlstand basiert auf dieser Arbeit.‘
Ich habe erst ein Drittel dieses Buches gelesen und bin so beeindruckt von dem, was Teresa Bücker schreibt. Es ist so wichtig, dass eine Sprache und Kritik dafür gefunden wird, wie unsere Gesellschaft funktioniert oder funktionieren muss. Diese Akzeptanz und das Hinnehmen unserer vorgefertigten selbstgemachten Strukturen, lässt viele verzweifeln.
Ich treffe Künstlerfreundinnen und Künstlerkolleginnen zum regelmäßigen Austausch. Man berichtet über Open Calls, positive und frustrierende Gespräche/Einreichungen/Erfahrungen, tauscht sich aus wieweit nun weitergetan wird.
Nach mehreren Jahren Kunstmachens fragt man sich immer wieder WILL ICH DA NOCH WEITER MACHEN? WAS TREIBT MICH EIGENTLICH AN?
NOVEMBERFOG – Was ist Arbeit Teil II!
Text 5, November 2022
In meinem letzten Text kam ich nicht unmittelbar dorthin, wo ich wollte. Ich führte viele Gespräche darüber, nach der Veröffentlichung, bekam Feedback, es wurde mir gedankt darüber zu schreiben. Letztlich merkte ich aber, ich habe zwar viele Frauen damit erreicht und ermutigt, auch Männer haben sich angesprochen gefühlt, was mich sehr freut, aber ein großer Teil von mir hat gefehlt – die Künstlerin. Es wird mir immer wichtiger darüber zu berichten, was es bedeutet Künstlerin zu sein.
Es ist November. Seit ich an der Donau lebe, liebe ich diesen Monat. Der Hype des Kunstherbstes ist vorbei und Weihnachten ist noch nicht greifbar. Der Nebel hat die Donau voll im Griff, die Kormorane genießen es, ich auch. Man kann gut atmen, obwohl es sich wie ein luftleerer Raum anfühlt.
Ich denke also über dieses Jahr nach und treffe mich zum Coaching. Mit Nadine Lemke habe ich 2018 das Format BUILD AND SHARE.artist coach gegründet. In regelmäßigen und unregelmäßigen Abständen treffen sich Künstler*innen, um sich zum beruflichen Weiterkommen auszutauschen. Ich schreibe mir also auf was ich dieses Jahr so gemacht habe, was gut gelaufen ist, was dabei besonders wichtig war, was gefehlt hat – um herauszufinden wie möchte ich nächstes Jahr weitertun.
Was sich sofort in meinen Gedanken breit macht, ist, ich möchte RADIKALER werden, AKTIVISTISCHER – das POLITISCHE mehr hervorheben – es klarer definieren.
Aber zuerst zum Rückblick. Ich fange mit Berlin an, im vorletzten Text habe ich erzählt, dass ich eingeladen wurde, um dort auszustellen. Eine Gruppenausstellung BEYOND SPACE organisiert von der MEETFRIDA ARTFOUNDATION also zum Thema Raum. Nachdem diese Ausstellung recht spontan zu Stande kam, war klar, es können keine neuen Arbeiten gemacht werden, außerdem hatte ich unmittelbar davor eine Solo Show in Brno in der Villa Tugendhat, die meine volle Aufmerksamkeit brauchte, da ich dort ortsspezifische Arbeiten tatsächlich erst vor Ort machte. Zuerst dachte ich, ich schicke nur meine Arbeit hin, da ich mir nicht sicher war, ob ich das mental schaffen würde.
Eine Einzelausstellung zu haben bedeutet, also in meinem Fall bei dieser Space Interpretation in Brno, sich mit dem Haus zu beschäftigen, also Research zur Familie Tugendhat, zum Architekten Mies van der Rohe, zu dieser architektonischen Ikone zu betreiben – im Kontext zu meiner künstlerischen Arbeit. Welche Arbeiten möchte ich dazu entwickeln und was möchte ich damit thematisieren, aufgreifen, welchen Diskurs möchte ich führen? Alles total aufregend, spannend und auch herausfordernd. Dort musste ich es alleine schaffen, die Kuratorin die mich eingeladen hatte, war zwar total gut organisiert und für mich da, inhaltlich aber war ich ganz auf mich alleine gestellt. Einerseits fand ich das gut, andererseits merkte ich, ich brauchte Austausch, nicht weil ich nicht wusste, wie meine Arbeiten werden sollen, sondern um meine Themen besser konkretisieren zu können – was ist das Wichtigste, was ich sagen will, bleib fokussiert, kritisiere aber beleuchte. Es gibt einige sehr wichtige Personen um mich herum mit denen ich das wunderbar kann, aber die müssen erst mal Zeit haben, um mit mir diesen intensiven Diskurs zu führen.
Ich beschloss es so zu lösen, dass ich den Part der künstlerischen Praxis erstmal nur mit mir klären werde und die ganze Theorie dazu mit Bernadette Krejs, mit der ja der Talk geplant war. Viele seitenlange Mails gingen hin und retour – ich schrieb mal alles zusammen was ich im Kopf hatte und sie ging darauf ein. Es war großartig aus ihrer Perspektive als Architektin, Forscherin und Lehrende einen Blick zu bekommen, genau das war es, was ich brauchte.
Ich fuhr also sonntags am Abend mit dem Zug nach Brno, damit ich am Montag früh mit dem Aufbau starten konnte, ich hatte nur einen Tag Zeit, was mich schon ziemlich stresste – denn was, wenn ich es einfach nicht schaffe an einem Tag alles hinzubekommen? Völlig ausflippe, da es einfach nicht so wird wie ich es mir vorstelle, oder was, wenn meine Vorstellung weg war? Es konnte mir ja niemand sagen, wie ich es machen soll! Oder was wenn ich krank werde, oder mich das Englisch reden so stresst, dass ich nix aus mir raus bringe. Mit wem soll ich das alles bitte klären?
Ich wusste, dass an diesem Montag zeitgleich der Aufbau in Berlin stattfinden wird und ich per Videoanruf Anweisungen geben muss. Zum Glück sind alle Arbeiten dort angekommen und konnten aufgebaut werden (bei der Ausstellung in Hamburg hat leider die Österreichische Post mit Hilfe von DHL es verkackt, das Paket ist nicht angekommen, trotz 20 geführten Telefonate – dh es musste improvisiert werden – was ganz schön viel Zeit und Aufregung in Anspruch genommen hat)
Ich hatte einen riesigen Koffer bei mir, da ich ja danach weiter nach Berlin reiste. Der Zug hatte Verspätung dh ich kam an als es finster war, was theoretisch kein Problem war, ich wusste jedoch, dass ich zu Fuß zur Burg rauf musste, durch einen Park, dort einen Portier aufsuchen musste, um zu meinem Quartier zu kommen. So schnell ich nur konnte schleppte ich mich und mein Gepäck also steil bergauf, ratternd am Kopfsteinpflaster, um in 20 Minuten, schweißgebadet in meiner Wohnung zu landen. Die Aussicht von dort oben auf die schlafende Stadt erfüllte mich!
Gut ausgeschlafen, suchte ich nach einem Cafe und nach einer Bäckerei, um mich dann voll auf den Tag einlassen zu können
Wie ich es von mir kenne, bin ich die ersten 4h beim Aufbau sehr schnell, super konzentriert – und trotzdem überrascht, wie ich es schaffe 5 neue Arbeiten (wobei eine davon im Atelier ziemlich fertig entworfen war) in dieser kurzen Zeit in diesem Raum mit den architektonischen Gegebenheiten zu konzipieren, dass es mich mit tiefster Zufriedenheit dermaßen beflügelt, als gebe es keinen schöneren Moment.
In diesem Haus, sich einen Tag sich zu verorten, einzutauchen als wäre es ausschließlich für mich da, all diese genialen Details, Ausblicke, Materialien zu sehen und zu spüren war einfach großartig. Es überkam mich dieses Gefühl alles richtig gemacht zu haben, ich wurde eingeladen in diesem Museum mit meiner Kunst zu reagieren, ich sah die zwei Namen vor mir – MIES VAN DER ROHE /PETRA GELL – wie genial ist das.
Ich war also im Glück, ich hab‘s geschafft – ich erinnere mich an das gleiche Gefühl als die Ausstellung im Nestroyhof fertig war – unfassbar wie konnte ich eine Wand 7x14Meter bewerkstelligen?
Die Eröffnung war unaufgeregt, Freunde aus Wien waren da, das Publikum war interessiert aber nicht aufdringlich, zufrieden ging ich zu Mitternacht ins Bett und freute mich so sehr auf Berlin.
Die Euphorie hatte keine Grenzen, während der 4h Zugfahrt plauderte ich mich einer Hamburger Künstlerin die in Wien lebt und einem Afrikaner der nach Berlin zu einer Konferenz fuhr. Die Beiden konnten es nicht fassen, dass sie mit einer Künstlerin im Wagon saßen, die in Berlin bei der Berliner Art Week ausstellte. „Oh you are famous?“ – Ahm i don’t think so! Let me see your work, do you have a homepage? For sure, i have one! Yes of course you are famous! Hahahah…das fängt ja gut an.
BAM, da war ich endlich wieder in Berlin, die Architektur bei beiden Ausgängen am Berliner Bahnhof zeigt gleich mal, was Berlin kann! Ich bin beeindruckt und wieder schockverliebt!
Über das Saloon Netzwerk kam ich zu einer Wohnung am Prenzlauer Berg, eine Künstlerin war in Venedig und gab mir ihren Schlüssel. Besser geht’s nicht. Ich holte mir den Schlüssel beim Nachbarn ab, sperrte auf und grinste in mich hinein. Schnell umziehen und weiter zur nächsten Vernissage, am Weg kaufte ich mir ein trockenes Weckerl, Lippenstift und los geht’s.
In den umgebauten KantGaragen fand die Ausstellung BEYOND SPACE statt, ich fuhr mit dem Lift nach oben. Eine der Organisator*innen hielt gerade die Eröffnungsrede, alle Künstler*innen standen bei ihnen.
Sie sah mich, holte mich zu sich und meinte – ahja unsere Künstlerin Petra Gell aus Wien ist nun auch da und wird euch gleich ihre Arbeit präsentieren.
Ich war echt ein Profi, vor hunderten von Leuten präsentierte ich also in Berlin in diesen unfassbar geilen Räumen meine Arbeiten. Einfach so, als täte ich nix anderes. Noch vor ein paar Jahren, hätte ich mir das nicht vorstellen können, wohl aber innigst gewünscht.
Ich war ganz bei mir, konnte meinem Rhythmus folgen, konnte viel denken, habe großartige Menschen kennengelernt und wiedergetroffen. Am liebsten hätte ich die Zeit angehalten.
Die vielen Gespräche mit den Organisator*innen von MeetFrida, Anna Schwan, Hilke Ludwigs und Johanna Schnell, mit meiner lieben Freundin Tanja Hehmann, Künstler*innen die ich kennenlernte, mit Besuchern – es war so bereichern, erfüllend und tat so gut.
WAS IST ARBEIT?
Text 4, November 2022
Ich glaube ich schreibe auch, weil ich das Gefühl habe man weiß gar nicht so genau wie man sich das Leben einer Künstlerin so vorstellen soll. Die macht halt den ganzen Tag irgendwas, vielleicht mit ein paar Farben, hängt halt in ihrem Atelier ab, trinkt Cafe und so.
Aber mit Arbeit hat das nun ja wirklich nichts zu tun. Wenn ich dann mal ein Bild verkaufe um € 7.000,- dann muss ich selber kurz darüber nachdenken, wem ich das erzähle, der mir nicht keck antwortet na das ist ja mal eine Summe, und ich mich dann selber wundere, wie das geht dass ich tatsächlich für so ein Bild soviel Geld bekomme.
Naja also wie kommt man nun zu Geld in der Kunst und was hat das alles mit Arbeit zu tun? Wie ich vor ein paar Jahren zu dem Begriff der ‚unbezahlten Arbeit‘ gekommen bin, war dann plötzlich das Gefühl, na Moment, ich mach aber ganz schön viel was darunter fällt.
Also dass der ganze Haushalt, sprich einkaufen gehen, kochen, Wäsche machen, sauber machen, die Organisation der Kinder, wann geht welches Kind zu welchem Kurs/Training/Freundin wie kommen sie dann wieder nach Hause, bis zu Geburtstage organisieren, Geschenke ordern, für die Schule lernen, Schulzeug einkaufen, sich mit jedem Kind hinsetzen und Redezeit haben, Streit schlichten, Familienstimmung immer im Blick haben, psychologische Unterstützung suchen/finden/durchführen, Omas anrufen, und so weiter – das alles ist UNBEZAHLTE ARBEIT – ah echt Arbeit???? – na das muss man ja sowieso machen, oder nicht, das gehört ja einfach dazu, das macht ja jeder, oder nein JEDE. All diese Dinge zu erledigen braucht zwar ganz schön viel Zeit, aber dass das unter Arbeit fällt wurde mir erst bewusst, nachdem ich so erschöpft war und ich mir dachte – SO ich schaffe das nicht mehr, wie machen das denn die anderen? Also die anderen Frauen? Ich habe ja schließlich nicht nur diese UNBEZAHLTE ARBEIT zu erledigen, sondern meinen 1:1 bezahlten Job, das Unterrichten, und dann meinen Job die Kunst, also die Malerei.
Ich fing also an Freundinnen genauer zu befragen, nicht dass ich das nicht schon tat, aber als es plötzlich in dieser Intensität kam wusste ich, ich muss was ändern, und zwar schnell sonst lande ich im Burn Out.
Und siehe da, alle meine Freundinnen hatten unterm Strich die gleichen Themen, es geht sich einfach alles hinten und vorne nicht aus. Eine intakte Beziehung führen, Kinder zu erziehen/betreuen/begleiten, sich um sich selber kümmern sprich ausreichend Sport machen, immer gesunde Ernährung zu sich nehmen, in Therapie gehen, Freundinnen treffen – und ich rede hier nicht von Faulenzen sondern Optimieren. Dann diese verschiedenen Arbeiten. Naja und Gesellschaft gibt es ja auch noch, wie könnte man sich ins Ortsgeschehen einbringen?
Fazit: der Tag ist nicht lang genug.
Gut, also alle Frauen in meinem Umfeld wissen, wovon ich rede, manche kriegen es natürlich besser hin, manche Bereiche davon weniger gut. ABER alle sind ganz schön gefordert, besser gesagt überfordert, überlastet und extrem erschöpft. Das gibt mir kurzerhand das Gefühl okay, ich bin nicht alleine die daran echt an die Grenzen stößt, wir machen das alle ja eh ziemlich gut, versuchen alles zu verbessern, zu optimieren – das heißt es kann also nicht nur an mir liegen, warum ich das nicht hinkrieg, obwohl ich wirklich absolut organisiert/zielstrebig/erhrgeizig/diszipliniert/motiviert/positiv bin.
Aber wenn es also nicht an mir liegt, wo ist da der Wurm drin. Meinen Mann versuche ich da hinzuführen, wo ich mich da gefühlsmäßig bewege, versuche zu erklären, einzufordern, Pläne zu schmieden, was kann wie geändert werden, so kann es nicht weitergehen. In manchen Punkten kommen wir zu Ergebnissen, zeigt er Verständnis, in anderen reden wir aneinander vorbei – „Du wolltest das ja alles so, wir hätten ja auch alles anders machen können, können wir immer noch!“
Ich beginne also zu recherchieren, kaufe mir feministische Bücher, oh da gibt es ja ganz schön viele die sich mit Themen befassen, die ich ur spannend finde und über die ich noch nichts gehört habe. UND weil es mich tatsächlich jetzt interessiert welche und wieviele ich in letzter Zeit gelesen habe liste ich sie hier nochmal auf:
- ‚alles über liebe‘, bell hooks
- ‚Das Unwohlsein der modernen Mutter‘, Mareice Kaiser
- ‚Wut und Böse‘, Ciani-Sophia Hoeder
- ‚Das Paradies ist weiblich‘, Tanja Raich
- ‚Die Erschöpfung der Frauen‘, Franziska Schutzbach
- ‚Laut und selbstbestimmt‘, Sandra Jungmann
- ‚Manifesto‘, Bernadine Evaristo
- ‚Die Zukunft der Aussenpolitik ist feministisch‘, Kristina Lunz
- ‚Zusammenkunft‘, Natasha Brown
- ‚Weiblicher Narzismuss‘, Bärbel Wardetzki
- ‚Das andere Geschlecht‘, Simone du Beauvoir
- ‚Sprache und Sein‘, Kübra Gümüsay
- ‚Was wir Frauen wollen‘, Isabel Allende
- ‚Unsichtbare Frauen‘, Caroline Criado-Perez
- ‚Die letzten Tage des Patriarchats‘, Margarete Stokowski
- ‚Das Patriarchat der Dinge‘, Rebekka Endler
- ‚In besserer Gesellschaft‘, Laura Wiesböck
- ‚Radikale Selbstfürsorge‘, Svenja Gräven
- ‚Ich denk ich denk zu viel‘, Nina Kunz
- ‚Feminist City‘, Leslie Kern
UND dann wird mir einiges klar. OH das PATRIACHAT. Naja gehört habe ich davon schon, aber was hat das mit mir zu tun. Ich habe mich aus meinem Milieu herausgewurschtelt, ja leicht wars nicht, aber wer hats schon leicht. Habe Matura gemacht, auch wenn in einer Schule die wirklich nichts mit meinen Interessen zu tun hatte, hab ein Lehramtstudium gemacht, mir so dann das Diplom Studium Malerei und Grafik finanziert. Denn eins war mir ganz früh in meinen Jugendjahren klar, mach dich niemals abhängig von einem Mann. Meine Familie hats mir ganz klar und deutlich vorgelebt.
Na und dann steh ich also da mit meinen 2 Studienabschlüssen, einen Job, einer Idee von Kunstmachen – DIE WELT LIEGT MIR ZU FÜSSEN – ich bin stolz auf mich, habe ich doch erreicht was ich wollte!
So, aber nun zurück zu meiner Frage wie verdiene ich als Künstlerin Geld.
Dieses Jahr ist ja, wenn ich jetzt darauf zurückblicke, nicht nur ein erfolgreiches, sondern auch eines in dem ich tatsächlich für meine Verhältnisse gut mit Kunst Geld verdient habe. Was mich natürlich ganz besonders glücklich macht ist dieses Jahr das Staatsstipendium für Bildende Kunst bekommen zu haben, dh man bekommt € 1,400,-€ im Monat, ein Jahr lang. Dh es ist schon mal ein bissi Geld da. So besonders macht es das Ganze natürlich, dass es eine absolut wichtige Bestätigung seitens der Kunstszene in Wien ist, ein so großes Stipendium zu bekommen.
ICH TAUCHE AUF
Text 3, August 2022
Wann gehöre ich nur mir selbst. Jetzt, gerade, hier, in unserer neuen Stadtwohnung. Ich sitze am Boden auf einer uralten Isomatte. Bewundere den schönen alten Fischgräteboden, die superhohen Wände, die alten Kastenfenster, es regnet. Es läuft meine Playlist, der Beginn, ‚Ich tauche auf‘ von Tocotronic, feat. Soap and Skin. Ich bin alleine, kann arbeiten, wie genial. Die kids sind 5 Tage mit meiner Mama unterwegs.
Nächste Woche fahre ich für 5 Tage nach Hamburg. Es läuft dort eine Gruppenausstellung ‚Beyond BEYOND‘ ich zeige eine Arbeit mit einer Freundin aus Dresden. ‚THE PRIVATE IS STILL POLITICAL!‘. Ortsspezifisch reagiere ich mit Industriematerialien auf die Architektur im Stillwerk und umkreise die Malereien von URSULA SUSANNE BUCHART. Wie viel Raum hat man als Frau, als Mutter, im Privaten sowie im Öffentlichen. Mein von allen akzeptierter Rückzugsort in meinem privatem Umfeld, ist die Badewanne. „Mama liegt in der Badewanne!“ – oh das bedeutet sie braucht jetzt Zeit für sich, ist am Lesen. Sie will in Ruhe gelassen werden.
In der Küche bin ich stets von allen umgeben, auch im Wohnzimmer, ebenso im Garten, im Vorzimmer – und auch stets für alle da. Ich bin da zum Kochen, zum Plaudern, zum Organisieren von Terminen, zum Koordinieren, zum Hausaufgabe machen, zum Wäsche finden, zum seelischen Beistand, für alle emotionalen Belangen. 24h am Tag. Wenn ich im Atelier bin, bin ich physisch abwesend aber jederzeit erreichbar. Ebenso wenn ich am Unterrichten bin. Es gibt wenige Termine, bei denen ich vorher in unserer Familywhatsappgruppe ankündige „Ich habe jetzt einen Termin, bei dem ich nicht erreichbar bin“.
ARCHITEKTUR ist so ein großer Begriff, jetzt bin ich beim Begriff RAUM angekommen und erforsche was es mit diesem Begriff auf sich hat.
Im künstlerischen/wissenschaftlichen/sozialem/psychologischen/politischem Kontext.
Vorm Urlaub war ich so leer und ausgebrannt, dass ich bei einem Gespräch mit meiner Freundin MICHA WILLE, eine großartige Malerin, die mich immer gut anstupst, weiterbringt, intellektuell herausfordert, motiviert – keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte warum ich mache was ich mache. LEER, kraftlos, durchsichtig, nicht vorhanden.
Eineinhalb Wochen im Urlaub habe ich gebraucht, um mich wieder zu spüren. Es waren sehr schöne Tage, unterwegs in Italien, super Essen, schöne Hotels, entspannte Zeit. Kaum ein Streiten mit den Kindern, zwischen den Kindern. Einfach nur sein. Unterwegs sein. Im Ausland, wie schön. Andere Sprache! Italienisch, wie sehr ich dies Sprache liebe, wie sie klingt, la melodia, che mi piace. Endlich wieder am Meer sein, liegen, Sonne, es ist heiß. Langsam kam sie wieder die Kraft, mein Körper, mein Geist richtete sich wieder auf. Ich kam wieder zu mir.
Ab und zu checkte ich meine Mails, die Ausstellung in Hamburg lief, es gab ein paar Dinge zu klären.
Eine weitere Ausstellungseinladung kam. Im Ausland, wieder Hamburg und Berlin – echt jetzt. Berlin? Wie geil ist das denn!
Schön, es geht um das Thema Raum. „Der Raum ist nicht nur kunstgeschichtlich Voraussetzung und Rahmen für künstlerische Betätigung, sondern vor allem auch kulturell, geopolitisch und soziologisch. Die Wandlungsprozesse der letzten Jahre – Digitalisierung, Corona-Pandemie, Klimawandel – und auch die akute Krise des Kriegs in der Ukraine haben den Begriff zusätzlich aufgeladen. Lebensraum, Stadtraum, Wohnraum, Bildraum und digitaler Raum sind nur einige Aspekte dieser Auseinandersetzung. Die Ausstellung BEYOND SPACE widmet sich daher den Fragen “Was ist Raum? Welche Machtprozesse gestalten Raum? Und in welchem Verhältnis stehen wir dazu?” (Anna Schwab, MeetFrida) – und ich bin dazu eingeladen, echt jetzt, ahja stimmt ich beschäftige mich ja mit Raum! Wow, ich bin diejenige die da dazu passt!! Ich liebe es was ich tue!
Ich überlege was ich dort zeigen kann, habe ich überhaupt Arbeiten? Sind sie gut genug, bin ich sicher bei der Auswahl dabei oder ist das ein open call. Einer von vielen – eine von so vielen Einreichungen, viele werden abgelehnt. Förderungen werden abgelehnt, grundlos, eben nicht innovativ genug, ahja.
So schicke ich also eine Auswahl an Arbeiten aus denen kuratiert wird. Moment mal, ich habe doch genug Arbeiten, viele sogar, super Arbeiten. Ein Lächeln entwischt mir, ein Hauch von Stolz! Das habe ich die letzten Jahre gemacht, wow! Ganz schön viel. 2023 habe ich mir vorgenommen einen Katalog zu produzieren. Wenn ich aber genauer darüber nachdenke, macht es wohl mehr Sinn eine Publikation zum Staatsstipendium zu machen – und eine Ausstellung.
Schon ziemlich verplant das nächste Jahr, ziemlich cool!
Berlin also, ach da muss ich dann aber echt hinfahren. Geht sich das aus, Solo Show in der Villa Tugendhat, Eröffnung und am nächsten Tag weiter nach Berlin, yes i want it.
MICHA interessiert das jemanden, was ich da schreibe?
Ich liebe und hasse Instagram. Mehr lieben aber auch hassen. Es ist so wahnsinnig inspirierend, von Menschen und ihren Werken, ihrem Können was zu sehen, zu lesen! Menschen kennen zu lernen, sie anschreiben, das würde ich mich vermutlich sonst nicht trauen. Insta machts möglich. Über Insta habe ich Bernadette Kreijs kennengelernt. Ich war beeindruckt von ihrer Arbeit, ihrem Thema. Sie hat gerade ihre Dissertation fertig geschrieben „Architektur als Bild – Das Bild des Wohnens. Über die (Re) Produktion von digitalen Wohnbildwelten auf Plattformen wie Instagram und die Suche nach gegenhegemonialen Bildern des Wohnens.“ So beeindruckend und spannend, sie ist Architektin und Forscherin und derzeit am Forschungsbereich Wohnbau und Entwerfen an der TU Wien tätig.
Ich habe sie zu mir ins Atelier eingeladen, wir waren beide ganz aufgeregt. Sie fand meine Arbeit so interessant, wirklich Spannendes hat sie dazu gesagt, am liebsten hätte ich mitgeschrieben, aber das ist ja auch peinlich. Zum Beispiel über meine Farben, dass sie diese so großartig findet, da sie einer ganz speziellen Palette entsprechen, überhaupt meine Ästhetik, dass sie so gut eintauchen kann in meine Installationen. Dass es so schöne gute Arbeiten sind, aber auch unterlegt mit Theorie, politisch. All diese interessanten Projekte die ich in den letzten Jahren gemacht hab – ich war ganz gerührt, dass sie das alles so toll fand.
Es tat unglaublich gut von jemanden dessen Arbeit man so schätzt so viel Lob zu bekommen, sich auszutauschen, sich gegenseitig zu bestätigen! Kurz musste ich überlegen ob ich ihr denn von meinen Kindern erzählen sollte, oder ob sie mich dann wohl weniger interessant findet. Ha! Sie hat auch Kinder – ahja, auch da konnten wir einiges berichten, wie anstrengend, schwierig es sei, Karriere mit Kinder voranzutreiben. Sie ist für einige Monate quasi in den Keller gezogen, um ihre Dissertation ungestört fertig zu schreiben.
Aber da ist dann das Instagram, dass das ganze Leben nur glossy, stylisch, easy, schön, gut, einfach zeigt. Eben so, wie es ja, wenn, dann in nur ganz kurzen Momentaufnahmen ist.
So und wie berichte ich dann von meinen Highlights, wo ich so glücklich bin, motiviert jedem davon erzählen will, was ich alles gerade schön und berührend finde – UND aber auch von den vielen vielen Stunden der Verzweiflung, den vielen Enttäuschungen, den Momenten in denen es einem nicht gut geht und eben nicht alles nur easy ist. Ich bin Künstlerin, gerade deswegen muss/möchte ich doch mehr erzählen, es muss ja nicht alles sein – aber eben so wie es sich für mich anfühlt.
DIE ERSCHÖPFUNG DER FRAUEN – SPACE INTERPRETATION
TEXT 2, Februar 2022
Meine große Einzelausstellung ‚I guess it’s my life!‘ im Kunstraum Nestroyhof habe ich erfolgreich abgebaut. Ich war froh darüber aber auch ein bissi wehmütig. Die vielen Gespräche nahmen ganz schön viel Raum ein. Ich wurde bestätigt, ermuntert, überrascht, motiviert, gelobt, bewundert, angestachelt. Die Aufmerksamkeit, die ich dadurch bekam, war gut, die große Wand, der ganze Raum, beeindruckte. Außerdem kam zur gleichen Zeit die Info, dass ich für das Jahr 2022 das Staatsstipendium für bildende Kunst bekam. Das war schon fett. Jetzt sind die Arbeiten wieder im Atelier, eine davon eingepackt, eigentlich die Beste fand ich, oder die Luftigste. Sie war sozusagen bereits vor der Ausstellung reserviert, jetzt zieht sie bald um. Ich freue mich ziemlich. Eine zweite Arbeit wurde besonders gemocht, um nicht zu sagen begeistert betrachtet, vielleicht wird das ja was.
Die Gespräche über die Arbeiten waren sehr unterschiedlich, meist gingen sie in die Tiefe. Private Themen wurden aufgegriffen, Galeristen haben die besten Arbeiten gekürt, Freundschaften wurden analysiert, Ausstellungsarchitekturen verglichen. Beim Talk mit Patricia Grzonka, sie ist Kunst- und Architekturkritikerin und -historikerin, war ich ziemlich aufgeregt. Ich dachte was, wenn ich auf eine Frage keine Antwort weiß, oder die Frage nicht verstehe, oder den Faden verliere, abdrifte in eine Ecke, aus der ich nicht mehr raus komme. Schon bei der ersten Ausstellungsbesichtigung von ihr mit Carola Dertnig wusste ich, sie dachte, das ist zu wenig. In dem Moment, nein auch schon kurz davor wusste ich es ebenso, konnte es aber nicht zuordnen. Ich war doch so beglückt und froh diese Wand geschafft zu haben, diesen Raum nur mit meinen Arbeiten zu bespielen. Doch es fehlte was. Ich konnte es nicht orten. All das was ich für diese Ausstellung recherchiert habe, und der Beginn liegt lange zurück, 2020 wurde ich eingeladen, war weit weg, unstrukturiert und chaotisch. Ich habe doch so viel gelesen, notiert, zusammengetragen.
Ich wanke zwischen es gibt soviel zu sagen, muss meine Meinung äußern, warum sagt denn keiner was, ja ich bin Feministin, ja ich bin Künstlerin, ja ich bin Mutter und das alles geht mir wahnsinnig auf die Nerven ich will einfach in Ruhe arbeiten, das hat doch alles nichts mit meiner Arbeit zu tun, ich will einfach Malerin sein und mich mit Farbe mischen, Komposition, Linien, Flächen, geometrischen Formen, wegwaschen, pampig, transparent, luftig, sensibel und poetisch, beschäftigen.
Dann will ich allerdings darüber schreiben, denn ich habe was zu sagen, ich will hören was ihr dazu denkt, wie kann man den eigenen Raum ergreifen und nutzen. So viele großartige Bücher gibt es die ich noch nicht gelesen habe. Jetzt endlich aber mal DIE ERSCHÖPFUNG DER FRAU, von Franziska Schutzbach. Wie fantastisch, so gut beobachtet, aufgenommen, wiedergegeben, geklärt – beim Namen nennen.
„Die Erschöpfung der Frauen ein selbstverständlicher Aspekt weiblicher Lebensrealität ist. Frauen können heute berufstätig sein, Karriere machen, in die Politik gehen, sie könne Sex mit verschiedenen PartnerInnen haben und ein emanzipiertes Leben führen. Die Politologin Katharina Debus spricht von einer Allzuständigkeit der Frauen. Denn neben den emanzipierten Rollenbildern sind auch die traditionellen Erwartungen unhinterfragt wirksam. Kein Mensch kann all diesen Erwartungen gleichzeitig entsprechen, und ihre Widersprüchlichkeit führt zur Überforderung, Erschöpfung und einer dauernden Angst vor dem Scheitern. Der Kulturwissenschaftlerin Angela McRobbie zufolge hat sich die Emanzipation ein Stück weit in eine Fratze verwandelt: Was wir heute unter Frauenemanzipation verstehen – ökonomisch unabhängig, erfolgreich, leistungsstark, selbst bestimmt, individuell -, ist nicht nur für die meisten Frauen kaum zu erreichen, es ist vor allem nicht kompatibel mit dem, was sich trotz allem nicht verändert: dass sie ständig verfügbar sein sollen für die Bedürfnisse anderer, für emotionale Arbeit, Hausarbeit, Pflege, Beziehung; für die Herstellung von Harmonie, Gemütlichkeit und Glück, dafür, dass andere sich von der harten Welt erholen können. Diese Buch ist aus einem langwierigen Bestreben heraus entstanden, feministisches intersektionales Wissen und Forschung in die Gesellschaft hineinzutragen.
„Ich habe halt dieses Leben, das ist per Zufall so entstanden“, „Ich habe einfach falsche Entscheidungen getroffen“ – Die Erschöpfung, die viele spüren, ist aber nicht das Unvermögen von Einzelnen. Zu erkennen, dass es eine politische, ökonomische und kulturelle Systematik gibt, war schon immer die Grundlage, auf der Frauen sich ermächtigt haben, Widerstand zu leisten und gegen ihre Verfügbarkeit aufzubegehren, für ihre Emanzipation zu kämpfen. Der Ausschluss der Frauen beginnt zunächst damit, dass die Geschichte der Menschheit bis heute überwiegend als Männergeschichte erzählt wird. Weiße, heterosexuelle cis Männer sind die Protagonisten in der vorherrschenden Geschichtsschreibung, was sie tun, gilt als ‚geschichtsrelevant‘. Das führt unter anderem dazu, dass Frauen (und viele andere) ihre Erfahrungen und ihr Handeln oft nicht in historisch Entwicklungen einordnen, sondern als rein individuelle zufällig entstandene Biografie deuten. Diese Geschichtslosigkeit bewirkt, dass Frauen nicht nur ihren Beitrag zur Geschichte nicht erkennen, sondern ihr Leben oft als etwas wahrnehmen, das jenseits des Politischen, jenseits der ‚wichtigen‘ und ‚bedeutsamen‘ Dinge abläuft und dessen Bedeutung wenn, dann rein aufs Private begrenzt bleibt.“
Wie sehr sie mich da anspricht, wie erleichternd das ist zu wissen, dass es nicht um mein persönliches Einzelschicksal geht.
„Die relevante Frage dabei ist nicht, welche individuelle Maßnahmen wir gegen die Erschöpfung ergreifen können, sondern vielmehr, wie wir an der Anerkennung dieser Erfahrung arbeiten können. Und wie dies zu einem Ausgangspunkt für politisches Handeln werden kann.“
Darüber muss präzise gesprochen, diskutiert, verhandelt werden und zu einem gesellschaftspolitschen und feministischen Thema gemacht werden.
Das Buch muss unbedingt gelesen werden, auch von Männern. Die Frage ist wie bekommt man sie dazu. Erschöpfende Frauen törnen ab, wer will dazu schon was hören. Ich will auch nicht erschöpfend daher kommen. Lustig, gut drauf, taff, interessant, fesch, fresh, erfolgreich will man doch sein.
Am Wochenende war ich in Brno, die Villa Tugendhat von MIES VAN DER ROHE anschauen. Alle schwärmen von Brno, interessante Architektur, funktionalistische Bauten, Werkbundsiedlung, internationaler Aufschwung, Residencies, viele KuratorInnen, sympathische Stadt, so nahe an Wien. Anne Glassner eine Künstlerfreundin machte dort eine Residency, und stellte im Ausstellungsraum in der Villa aus. Ob mich das denn interessiere, sie habe an mich gedacht. Ein unkompliziertes spontanes Treffen im Atelier, die Kuratorin Neli Hejkalovà super nett, motiviert, interessiert. Ein paar Monate später die Anfrage auf Space Interpretation.
Die Führungen sind Monate im Vorhinein ausgebucht. Der Eingangsbereich draußen schon so schön, klar strukturiert. Innen dominieren Marmor und Holz, klare Linien, proportional mit großen Flächen, beeindruckenden Details. Man kann sich nicht satt sehen.
Die Schlafräume, mit einem View so malerisch, dass man da schon am liebsten den ganzen Tag verweilen will. Doch alles übertraf die Living Area, ich konnte es nicht fassen, ich war überwältigt. Wusste nicht wo ich zuerst hin sollte, mit gierigem Blick versuchte ich alles so intensiv wie möglich, mit allergrößten Aufmerksamkeit aufzunehmen. Welch Schönheit.
Ich war sprachlos.
MENTAL LOAD – WARSAW
Text 1 Dezember 2021
WARSAW hat mich eingeladen mit der polnischen Künstler*in Katarzina Przezwanska im österreichischen Kulturinstitut auszustellen. In vier Wochen soll bereits die Vernissage sein. Gut, etwas knapp, aber doch aufregend. Ich sage zu. Der Transport meiner Werke, die bereits existiert haben, wird organisiert, ein Hotel empfohlen, mit Flug gebucht. Ich liebe es zu fliegen. Die Situation am Flughafen entspannt mich derart, da habe ich dann plötzlich Zeit, für mich, zum Lesen. Zum Schauen. Zum Denken.
Meine Lieblingsbuchhandlung in Wien, Walther König im MQ besuche ich noch bevor ich zum Flughafen fahre. Sicher ist sicher, vielleicht finde ich noch was. 2 Bücher sind im Koffer. Die Architekturabteilung ist genial. Etliche Bücher über RAUM besitze ich bereits, Marc Augé NICHT-ORTE ist großartig. FEMINIST CITY, Leslie Kern…….eine feministische Stadt ist eine Stadt, für die man bereit sein muss zu kämpfen! Hm ….kämpfen muss man eh für Alles! Oder fast! Ich kaufe es. UND die Sonderausgabe vom Art Magazin ‚Design für morgen – die ewige Suche nach der richtigen Form und dem guten Leben!‘
Die S-Bahn Richtung Wolfsthal/Flughafen! Ein Salat vom Jamie’s Deli, ein Zeitschriftenladen. Ich sehe am Cover vom PREMIUM trend ‚Die 100 besten Künstler*innen Österreichs‘ und ärgere mich. Ich schaue die Liste durch in der Hoffnung doch dabei zu sein. Ich finde mich nicht und kaufe das Heft, für die Entspannung danach das Magazin von emotion ‚slow – Mehr Zeit fürs Wesentliche‘.
Der Flug war gut. Mein dritter Flug heuer.
Ich baue die Ausstellung auf und gehe zurück zum Hotel arbeiten. Mein Arbeitsplatz Bett, Laptop, Bücher, Kalender, 2 Dosen Bier, Nüsse.
Den ersten Podcast den ich mir anhöre ist ‚GROSSE TÖCHTER von Beatrice Frasl‘ im Gespräch mit der Soziologin Laura Wiesböck. Ich habe von dem Podcast gelesen und wollte ihn bei nächster Gelegenheit hören. Beim letzten Flug waren die aufgesparten Folgen ‚Frauenfragen von Mari Lang‘ an der Reihe. Das Gespräch ist unfassbar spannend, wie gut sich beide auskennen, welch genaue Beobachtungen sie anstellen, wie eloquent, kritisch, sprachgewandt, und symphatisch.
Mit LAURA WIESBÖCK will ich ein Gespräch führen.
‚Habe ich dir schon von dem genialen Buch ‚Raus aus der MENTAL LOAD FALLE‘ erzählt, kennst du das, kennst du den Begriff?‘ ja ich kenne das Buch, hab es nicht gelesen, JA!!!!!!!! ich kenne den Begriff.
Ich muss darüber schreiben.
HIDE AND SEEK SHOW AND TELL, Georgia Holz
Inverview with the magazin Les nouveaux riches THE SPACE AROUND
VIENNA DESIGN WEEK, The Space Around
A POOL FULL OF YELLOW, Katharina Wendler
How to make a bee line, philomena+, Christine Bruckbauer
http://www.artfridge.de/2018/12/interview-petra-gell.html